In Deutschland werden jährlich auf mehr als 7000 Betrieben rund eine Million Tonnen Obst geerntet und vermarktet. Dabei vergrößerte sich die Fläche für Obstkulturen in den letzten Jahren leicht und verzeichnet (Stand 2017) knapp 50.000 ha. Der Apfelanbau hat dabei mit Abstand zu anderen Obstsorten den größten Anteil mit mehr als 800.000 t und knapp 34.000 ha Kulturfläche (BMEL-Statistik). Weniger als 10% der Betriebe wirtschaften nach Grundsätzen der EU Öko-Verordnung. Damit besteht auf den ersten Blick ein enormes Potential für eine Steigerung der Nachhaltigkeit im Obstbau.
Doch so einfach es sich auf den ersten Blick darstellt, ist es in der Realität selten, und das gilt auch für den Obstbau. Schon heute setzen sich konventionelle Betriebe für eine nachhaltige Umgestaltung ihrer Wirtschaftsweise ein, legen Blühstreifen an, fördern Wildbienen und andere Insekten, integrieren die Anlage und extensive Nutzung von Streuobstwiesen in ihren Betrieb. Viele dieser ökologischen Maßnahmen können schon heute über die zweite Säule der EU-Förderung finanziell anerkannt werden. Schwieriger sieht es da mit der Anerkennung von individuellen Ideen und Innovationen der Landwirt*innen aus. Freiwillige Leistungen wie regelmäßige Aktionen auf den Höfen, Führungen und Vorträge vor Schulklassen und Kindergärten, eine gezielte Förderung von Mitarbeiter*innen, Schaffung langfristiger Arbeitsplätze, Investitionen in ressourcensparende Methoden - all das trägt zu einer ganzheitlichen Nachhaltigkeit der Betriebe bei, kostet Zeit und Geld, ist gesellschaftlich wünschenswert und verschafft den Betrieben dennoch keinen oder keinen eindeutigen Marktvorteil.
Warum und unter welchen Bedingungen es sich lohnen kann, auch als konventioneller Betrieb nachhaltigere Wege zu gehen, das möchte das Projekt Nachhaltiges Obst in enger Kooperation mit 5 Rheinischen Obstbaubetrieben klären. Ein weiteres Ziel des Projekts ist die Etablierung einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitszertifizierung, die sowohl ökologische Kriterien berücksichtigt aber auch die Bereiche gute Betriebsführung und gesellschaftliches Engagement gleichgewichtig mit einbezieht. Anders als bei herkömmlichen Zertifizierungs- und Kontrollsystemen soll dabei die individuelle Nachhaltigkeitsberatung im Vordergrund stehen. Dazu kooperiert die Universität Bonn eng mit der Unternehmensberatung Athenga GmbH, die ein solches Zertifizierungssystem für den Weinbau entwickelt hat und dieses nun für den Obstbau anpassen möchte.