Die Pflanze ist buschig, mit weit verzweigten Stängeln. Den Achseln ihrer länglichen Blätter entspringen fingerlange Ähren. Jede von ihnen besteht aus einem Dutzend steinharter Körner.
Um ihre Verwandtschaft mit einer der weltweit wichtigsten Kulturpflanzen zu erkennen, muss man schon genau hinschauen. Und dennoch sind sich Experten einig, dass die Gattung Teosinte die Urform sämtlicher heutiger Maissorten ist. Vor mehr als 9.000 Jahren begannen Bauern im Südwesten Mexikos damit, aus den Nachkommen von Teosinte-Pflanzen gezielt diejenigen auszuwählen, die die schmackhaftesten und meisten Körner lieferten. Im Laufe vieler Zuchtgenerationen entstand so die moderne Maispflanze, die sich über alle Kontinente verbreitete. „Wir wissen, dass sich das Aussehen der Pflanzen in dieser Zeit stark veränderte und zum Beispiel die Kolben größer und ertragreicher wurden“, erklärt Prof. Dr. Frank Hochholdinger vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES - Crop Functional Genomics) der Universität Bonn. „Wie sich das Wurzelsystem im Laufe der Domestikation und später wandelte, war bislang aber kaum bekannt.“
Wurzeln in Papier-Zigarren
Die neue Studie ändert das. In den vergangenen acht Jahren haben die beteiligten Arbeitsgruppen rund 9.000 Mais- und 170 Teosinte-Sorten rund um den Globus untersucht. Dazu werden Samen auf braunem Spezialpapier gelegt, das dann zu zigarrenähnlichen Gebilden gerollt und aufrecht in schmale Bechergläser gestellt wird. „Etwa 14 Tage nach der Keimung entrollen wir das Papier und können dann ohne störende Erdanhaftungen das Wachstum der frühen Wurzeln nachvollziehen“, sagt Hochholdinger. Zusätzlich haben die Forschenden in Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Dr. Robert Koller (Forschungszentrum Jülich) das Wurzelwachstum auch im Boden untersucht. Dabei nutzten sie ein Verfahren, das man eigentlich aus der Medizin kennt - die Magnetresonanztomographie.
Die Ergebnisse zeigen, wie sehr sich der Wurzelaufbau im Laufe der Domestikation von Teosinte zu Kulturmais verändert hat. „Bei Mais finden wir kurz nach der Keimung oft sogenannte Seminalwurzeln - bei manchen Sorten zehn oder mehr“, erklärt Dr. Peng Yu, Emmy Noether Gruppenleiter am INRES, der inzwischen einen Ruf auf eine Professur an die TU München angenommen hat. „Bei Teosinte ist das nicht der Fall.“ Seminalwurzeln geben dem Keimling unter optimalen Bedingungen einen Startvorteil: Sie ermöglichen es ihm, sehr rasch große Mengen von Nährstoffen aus der Erde zu erschließen. „Allerdings haben wir festgestellt, dass darunter die Bildung eines anderen Wurzeltyps leidet - der sogenannten Seitenwurzeln“, sagt Yu.
Diese Seitenwurzeln sind aber für die Wasseraufnahme besonders wichtig, weil sie die Wurzeloberfläche stark vergrößern. Das ist vermutlich auch der Grund dafür, warum die Zahl der Seminalwurzeln je nach Sorte sehr unterschiedlich ist: Sorten, die an trockene Gebiete angepasst sind, bilden deutlich weniger Seminal- und dafür mehr Seitenwurzeln. Bei der Weiterentwicklung dieser Sorten haben die Züchter in der Vergangenheit unbewusst auf diesen Wurzelaufbau hin selektiert.
160 Kandidatengene identifiziert
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben auch untersucht, welche Erbanlagen für die Bildung der Seminalwurzeln verantwortlich sind. Dabei konnten sie mehr als 160 Kandidatengene identifizieren. „Eines davon mit der Bezeichnung ZmHb77 haben wir genauer analysiert“, sagt Hochholdinger. „Dabei haben wir festgestellt, dass Pflanzen mit diesem Gen mehr Seminal- und zugleich weniger Lateralwurzeln bildeten.“
Die Forschenden schalteten die Erbanlage in bestimmten Pflanzen gezielt aus. Dadurch änderte sich ihr Wurzelaufbau, so dass sie Dürrezeiten erheblich besser überstanden. „Das entsprechende Gen ist daher für die Herstellung trockentoleranter Arten interessant“, erklärt der Wissenschaftler. „Diese werden in Anbetracht des Klimawandels immer wichtiger, wenn wir nicht in Zukunft verstärkt unter Ernteausfällen leiden wollen.“
Gelungene internationale Kooperation
Die Studie ist auch ein Beispiel für eine gelungene internationale Kooperation: Insgesamt waren Forscherinnen und Forscher aus 20 verschiedenen Arbeitsgruppen an den Arbeiten beteiligt. „Besonders wichtig war die Zusammenarbeit mit der Gruppe um Tianyu Wang von der Chinesischen Akademie für Agrarforschung“, betont Hochholdinger. „Sie hat zahllose Maissorten untersucht, die in den unterschiedlichen Regionen Chinas angebaut werden. Die Analyse, welche Gene in welchen Regionen gehäuft vorkommen, verdanken wir dagegen unseren US-Partnern von der Pennsylvania State University. Dort hat man unter anderem mit einer speziellen Simulationssoftware untersucht, welche Rolle die Wasserverfügbarkeit dabei gespielt hat.“
Zur Pressemitteilung der Universität Bonn:
https://www.uni-bonn.de/de/neues/114-2024 | 22.05.2024