Viele unserer Kulturpflanzen, wie etwa Bananen oder Kartoffeln, sind polyploid: Sie haben zusätzliche Kopien jedes Chromosoms. Polyploidie kann zu einer höheren Vitalität, besserem Wachstum und einer besseren Toleranz gegenüber Trockenheit führen. Deshalb werden in der Pflanzenzucht Mittel eingesetzt, die zu einer Verdopplung des Chromosomensatzes führen. “Die daraus resultierenden Pflanzen sind jedoch instabil”, sagt Prof. Dr. Annaliese Mason, im Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn für Pflanzenzüchtung zuständig. “Sie verlieren während der Meiose – der geschlechtlichen Zellteilung – genetische Informationen, die für die Lebensfähigkeit und Fruchtbarkeit wichtig sind, was sie als Zuchtmaterial ungeeignet macht.”
Die Wissenschaftlerin wird nun mit einem begehrten Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) in Höhe von fast zwei Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren gefördert. Im Projekt “Stabilisierung der autopolyploiden Meiose zur Ertragssteigerung” untersucht Prof. Mason, wie sich neue polyploide Kulturpflanzen stabilisieren lassen, und zwar sowohl durch natürlich vorkommende genetische Varianten als auch durch genetische Veränderungen. Sie hofft, die Chromosomenzahl von Kulturpflanzen wie Chinakohl, Rüben und Ölsaaten zu verdoppeln und dann mit diesem Ansatz stabile Pflanzen für die Züchtung zu erzeugen. “Wenn es gelingt, dieses große Problem der polyploiden Instabilität zu überwinden, könnten wir theoretisch in der Lage sein, die Vitalität und damit die Erträge von Nutzpflanzen weiter zu steigern”, sagt Annaliese Mason, die auch Mitglied im Exzellenzcluster PhenoRob der Universität Bonn ist. Mit Hilfe des ERC Grants will die Wissenschaftlerin ein Team aufbauen, das diese wichtige Forschung vorantreibt.
Annaliese Mason studierte Genetik an der University of Western Australia in Perth (Australien) und promovierte dort. Anschließend forschte sie in Wuhan (China) und in Brisbane (Australien). An der Universität Gießen leitete sie eine Emmy Noether-Forschungsgruppe und habilitierte sich zu Pflanzenhybriden. Für ihre Habilitationsschrift erhielt sie den Preis der Justus-von-Liebig-Universität. Seit September 2020 lehrt und forscht sie als Leiterin der Abteilung Pflanzenzüchtung an der Universität Bonn.
Eine Lücke im Verständnis der modernen Physik
In den letzten sieben Jahren hat die von Albert Einstein 1915 geschaffene allgemeine Relativitätstheorie mit der durch zwei Nobelpreise belohnten Beobachtung von Gravitationswellen einerseits und schwarzen Löchern andererseits große Erfolge gefeiert. “Doch diese Beobachtungen wären ohne die Weiterentwicklung von Einsteins Theorie zwischen 1955 und 1975 nicht möglich gewesen, und dennoch wurde diese Renaissance der Theorie bislang weder historisch noch philosophisch wirklich erforscht”, sagt Prof. Dr. Dennis Lehmkuhl vom Institut für Philosophie der Universität Bonn. Der Wissenschaftler wird nun ebenfalls mit einem Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrats in Höhe von fast zwei Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren gefördert.
Das Ziel seines “Centre of Gravity”-Projektes ist es, die Lücke im Verständnis der Entwicklungen zwischen 1955 und 1975 zu schließen. In diesen Jahren bauten mehrere Forscher auf Einsteins Grundlagen auf, revolutionierten aber auch die mathematischen Werkzeuge und physikalischen Begriffe innerhalb der Theorie. In dem ERC-geförderten Vorhaben sollen nun sowohl die publizierten Werke als auch die unveröffentlichten Berechnungen und Briefwechsel der bestimmenden Physiker und Mathematiker dieser Ära – etwa Sir Roger Penrose, Stephen Hawking, Sir Hermann Bondi, Jürgen Ehlers und John Wheeler – im Detail analysiert und entschlüsselt werden.
“Denn nur wenn wir die historische Entwicklung und die sich ändernden Interpretationen etwa der Konzepte eines Schwarzen Loches oder einer Raumzeit-Singularität im Detail analysieren und offenlegen, können wir auch die erstaunlichsten Aspekte der modernen Physik wirklich durchdringen”, sagt Prof. Lehmkuhl. Hierzu zählt er das Wesen von Gravitationswellen, die aus den Zusammenstößen von Schwarzen Löchern und Neutronensternen hervorgehen, wie auch die Natur des enormen Schwarzen Loches, um das sich unsere gesamte Galaxie dreht. Mit einem Team aus Physik, Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsphilosophie möchte der Preisträger das Projekt angehen.
Der Philosoph war bei seiner Bewerbung um eine ERC-Förderung gleich auf Anhieb erfolgreich. Außerdem ist es der erste ERC Consolidator Grant an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn. Dennis Lehmkuhl studierte Physik und Philosophie an der Universität Hamburg und am Imperial College London. Nach seiner Promotion an der University of Oxford arbeitete er an der Universität Wuppertal, am California Institute of Technology (Caltech) und an der University of Oxford. 2018 wurde er als Lichtenberg-Professor für Geschichte und Philosophie der Physik an die Universität Bonn berufen; die erste Professur dieser Art in Deutschland. Er ist weiterhin „Visiting Associate“ am Caltech und einer der wissenschaftlichen Herausgeber der Gesammelten Schriften Albert Einsteins.